70-Prozent-Regelung für Photovoltaikanlagen: Inhalt
Mit dem künftigen EEG 2023 soll dem Ausbau von Photovoltaik ein überragendes öffentliches Interesse zukommen. Denn bis 2030 sollen 80 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren Energien stammen. Somit ist für neue PV-Anlagen bis 25 kW, die ab dem 01. Januar 2023 ans Netz gehen, die maximale Erzeugung vorgesehen. Das bedeutet die Abschaffung der Begrenzung auf 70 Prozent der Nennleistung, die in öffentliche Netz eingespeist werden dürfen. Folglich ist dann kein Solar-Erzeugungszähler mehr notwendig.
Im Energiesicherungspaket der Bundesregierung wird zudem bereits erwägt, die 70-Prozent-Kappungsregel auch für Bestandsanlagen zu streichen. Hierfür sind aber zunächst weitere Gesetzesänderungen notwendig.
Was ist die Wirkleistungsbegrenzung für PV?
Im Rahmen des Einspeisemanagements (Redispatch) wird mit der Wirkleistungsbegrenzung dafür gesorgt, dass nur Strom in einer bestimmten Höhe ins Netz eingespeist wird. Um welche Menge es sich jeweils handelt, wird am Netzanschlusspunkt gemessen. Dabei ist die Frage, warum denn die Netzeinspeisung einer Photovoltaikanlage auf 70 % begrenzt werden soll, naheliegend – Schließlich handelt es sich bei Solarstrom um eine wertvolle, erneuerbare Ressource.
Erfährt man jedoch die Begründung, ist sie einleuchtend: Indem die Netzeinspeisung auf 70 Prozent reduziert wird, kann eine lokale Überlastung des Stromnetzes abgefangen werden. Das ist zum Beispiel relevant, wenn sich in direkter Umgebung viele mit Photovoltaik eingedeckte Dächer befinden und zur Mittagszeit die Intensität der Sonneneinstrahlung hoch ist. Solaranlagen-Besitzer müssen daher sicherstellen, dass die Einspeiseleistung entsprechend begrenzt ist. Auf die technische Umsetzung des Einspeisemanagements gehen wir später noch genauer ein.
Die Wirkleistungsbegrenzung oder auch 70-Prozent-Regelung wird gesetzlich im § 9 EEG geregelt: Ab einer Anlagenleistung von 7 kWp ist ein Smart Meter bzw. eine Möglichkeit zur Fernsteuerung vorgeschrieben. Für kleine private Photovoltaikanlagen lohnen sich solche kostenintensiveren Maßnahmen jedoch nicht: Die Wirkleistungsbegrenzung ist hier die einfachere Variante. Doch auch dafür gibt es smarte Möglichkeiten in der Anwendung – wie zum Beispiel die Installation eines Datenloggers.
Laut einer Studie des Fraunhofer ISE arbeiten 73 Prozent der neu installierten PV-Anlagen ohne Leistungsbegrenzung. Dabei dürfen 66 Prozent der 2019 neu installierten Anlagen gemäß EEG nur maximal 70 Prozent ihrer Leistung ins Netz einspeisen, weil sie über kein fernsteuerbares Einspeisemanagement verfügen. Dieser Anteil ist seit 2014 gewachsen. Die anderen leistungsbegrenzten Anlagen haben sogar Begrenzungen auf 60 bis 50 Prozent, weil sie mit einer Batteriespeicheranlage kombiniert sind.
Welche Auswirkungen hat die Wirkleistungsbegrenzung auf die Wirtschaftlichkeit der PV-Anlage?
Mithilfe der Wirkleistungsbegrenzung wird die maximale Einspeiseleistung der PV-Anlage auf 70 % beschränkt. An dieser Stelle ist die Unterscheidung zwischen Einspeiseleistung und Anlagenleistung relevant.
Unterschied zwischen Einspeiseleistung und Anlagenleistung:
- Unter der Einspeiseleistung versteht man die Menge an Strom, die ins Netz eingespeist und vergütet wird. Diese kann durchaus unter der Höhe der Anlagenleistung liegen: Denn diese bezeichnet die Leistungsfähigkeit der PV-Anlage, also deren Nennleistung, nicht aber die eingespeiste Strommenge.
Beispielsweise erzeugt eine PV-Anlage mit einer Anlagenleistung von 4 kWp ca. 4.000 kWh/Jahr. Wenn davon 70 %, also 2.800 kWh, eingespeist werden, können 1.200 kWh theoretisch dem Eigenverbrauch zugeführt werden. Oder der Strom wird noch vor der Einspeisung selbst verbraucht, um der Abregelung zuvorzukommen. Der Schlüssel, um Verluste durch die 70-%-Regel zu vermeiden, ist stets der clevere Eigenverbrauch!
Die Sorge um Verluste beim Ertrag aufgrund der Wirkleistungsbegrenzung ist meistens unbegründet. Der Grund: Eine PV-Anlage in Deutschland erreicht durch die vergleichsweise geringe Sonneneinstrahlung in den wenigsten Fällen überhaupt ihre Maximalleistung.
Abregelung vermeiden: mit Eigenverbrauch & Energiemanager oder passender Dachausrichtung
Wer die Abregelung seiner PV-Anlage durch die 70 %-Regel vermeiden will, sollte auf gezielten Eigenverbrauch setzen. Damit lassen sich Folgen der Wirkleistungsbegrenzung umgehen. Eine Gefahr der Abregelung besteht vor allem im Sommer während der Mittagsstunden, wenn Sonneneinstrahlung und Ertrag hoch sind. Um Verluste zu vermeiden, können verschiedene Maßnahmen ergriffen werden.
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1. Variante: Ihr Dach ist in einer Ost-West-Ausrichtung mit Photovoltaikmodulen belegt. Da hier die direkte Südausrichtung und folglich die besonders intensive Sonneneinstrahlung zur Mittagszeit entfällt, geraten Sie nicht in den Bereich, in dem es zur Abregelung durch die Wirkleistungsbegrenzung kommen könnte. Hinzu kommt bei einer Ost-West-Anlage, dass sie einem hohen direkten Eigenverbrauch zuträglich ist: Nutzen Sie morgens und abends, wenn alle zuhause sind, unmittelbar die Kraft der Ost- bzw. Westsonne.
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2. Variante: Fangen Sie einen besonders hohen PV-Ertrag geschickt durch Eigenverbrauch ab – so verhindern Sie, dass die 70 %-Regel greift! Verbrauchen Sie im genau richtigen Moment ausreichend Strom selbst, um der Abregelung zuvorzukommen. Dabei unterstützt ein Energiemanager. Ein solches Gerät zur Verbrauchsoptimierung ist mit der PV-Anlage, Haushaltsgeräten und, falls vorhanden, auch dem Stromspeicher vernetzt. Der Energiemanager sorgt nun dafür, dass so viel Solarstrom wie möglich selbst genutzt wird – sodass die 70-Prozent-Regelung so gut wie keine Relevanz mehr hat.
PV-Wirkleistungsbegrenzung mit Speicher
PV-Speicher können wirksam dabei unterstützen, dass die 70-Prozent-Regelung nicht greifen muss. So kann, sobald die kritische Grenze erreicht werden könnte, der Energiemanager rechtzeitig für eine verstärkte Ansteuerung des PV-Speichers sorgen. Im Rahmen von bestimmten Stromspeicher-Förderungen gibt es allerdings bei der Verwendung eines Stromspeichers die Auflage, bereits beim Erreichen von 50 der 60 % anstelle von 70 % abzuregeln. Vor allem in diesem Fall ist eine prognosebasierte Ladung des Speichers zu empfehlen.
Für eine solche prognosebasierte Ladung kommt auch wieder der Energiemanager zum Einsatz: Das Gerät "versteht", wie das individuelle Stromverbrauchsverhalten ist. Zudem lässt der Energiemanager die standortbezogenen Wetterdaten in die Steuerung einfließen. Insgesamt ist es möglich, auch das Be- und Entladen des PV-Speichers so zu steuern, dass kein Strom durch die Wirkleistungsbegrenzung verlorengeht.
Technische Umsetzung der 70-Prozent-Regelung bei PV-Anlagen
Es gibt verschiedene Varianten, um die Wirkleistungsbegrenzung technisch umzusetzen.
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Feste Drosselung des Wechselrichters auf 70 % der Generatorleistung:
Die Wirkleistungsbegrenzung kann durch den Installateur eingerichtet werden. Dafür stellt er Berechnungen zur Leistung der PV-Anlage an, um 70 % der Anlagenleistung zu ermitteln. Diese Zahl definiert der Installateur im Wechselrichter als feste Grenze für die Abregelung. Das Ergebnis: Der Wechselrichter erkennt die 70 % als "neue Leistungsgrenze" – sodass beim Erreichen keine weitere Energie eingespeist wird. Bei dieser Vorgehensweise gibt es allerdings einen großen Nachteil: Energie, welche die 70 %-Marke überschreitet, ist schlichtweg verloren. Bei einer PV-Anlage, die optimal in Südlage ausgerichtet ist, liegt der Verlust in so einem Fall bei etwa 3 bis 5 %. Handelt es sich um eine Ost-West-Anlage, ist mit so gut wie keinem Verlust zu rechnen.
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Variable Drosselung des Wechselrichters durch Messung der Einspeiseleistung:
Die geforderten 70 % müssen erst am Verknüpfungspunkt zum Stromnetz vorliegen. Somit ist es möglich, überschüssigen Strom bis zu diesem Punkt selbst zu verbrauchen. Um diese Daten zu erfassen, kann ein Datenlogger eingesetzt werden. Er zeichnet Daten wie zum Beispiel Meldungen des Wechselrichters, des Energiezählers oder der Temperatursensoren auf und visualisiert sie. Ein Datenlogger kann übrigens zugleich ein Energiemanager sein, wie beispielsweise der Sunny Home Manager von SMA. Mit einem Datenlogger lässt sich die Überwachung der 70 %-Regelung einfach umsetzen. Ein weiterer Vorteil beim Einsatz eines Datenloggers ist zudem, dass man keine "händische" Überwachung des Wechselrichters und des Einspeisezählers mehr benötigt.
Im Zusammenhang mit dem Einhalten der Wirkleistungsbegrenzung funktioniert der Einsatz eines Datenloggers wie folgt: Ein zusätzlich installierter Stromzähler steuert den Wechselrichter an und kann auf diese Weise den Abregelungswert dem jeweiligen Stromverbrauch des Hauses anpassen. Der zusätzliche Stromzähler summiert die Abnahme aller Elektrogeräte im Haus, um diese Strommenge auf die 70%-Grenze aufzuschlagen.
Die Anlagenleistung beträgt 8 kWp. Weil der Wechselrichter auf 70 % gedrosselt wird, gilt: 0,7 x 8 kWp = 5,6 kWp. Nun hat der Herd 1,4 kW. Dementsprechend erhöht der Energiemanager die maximale Leistung des Wechselrichters von 5,6 kWp um 1,4 kW auf 7 kWp. Am Verknüpfungspunkt landen jedoch nach wie vor nur die geforderten 5,6 kWp.
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Einspeisemanagement mit Rundsteuerempfänger (RSE)
Mit dieser Variante ist die Drosselung des Wechselrichters auf 70 Prozent nicht notwendig. Stattdessen kann der Netzbetreiber den Wechselrichter bei Bedarf herunterfahren. Hierfür kann ein sogenannter Schütz zum Einsatz kommen. Das ist ein elektromechanischer Schalter, der nur die Zustände "an" oder "aus" kennt und sich aus der Ferne bedienen lässt. Eine mehrstufige Abregelung ist mit einem solchen Schütz allerdings nicht möglich, sodass diese Lösung von Netzbetreibern oftmals nicht akzeptiert wird. Sie bevorzugen einen RSE, der sich gestuft regulieren lässt. Für einen Rundsteuerempfänger fallen zudem Kosten für den Anlagenbetreiber an: Entweder Anschaffungskosten in Höhe von etwa 100 bis 600 Euro oder Mietgebühren von etwa 15 Euro pro Jahr. Hinzu kommen Installationskosten. Für kleine, private PV-Anlagen lohnt sich der RSE nicht.
Prognose: Wie entwickelt sich die Gesetzgebung hinsichtlich der Wirkleistungsbegrenzung in der Zukunft?
Die Gesetzgebung rund um das Einspeisemanagement und die 70-Prozent-Regelung bleibt in Bewegung. So sah der Entwurf für das EEG 2021 zunächst vor, dass sogar PV-Anlagen mit 1 kWp verpflichtend um einen Smart Meter ergänzt werden sollten. Davon wurde jedoch abgesehen, da dieser Vorschlag sich nicht durchsetzen konnte. Stattdessen wurde zunächst festgelegt, dass ein Smart Meter erst für PV-Anlagen ab 7 kWp eingesetzt werden muss. Als alternative Option legt § 9 EEG fest, dass die Wirkleistungsbegrenzung oder 70 %-Regel gilt. Ob diese Regelungen im EEG Bestand haben werden, ist jedoch Stand Mai 2021 noch unklar. So sollen sie bis zum Juni 2021 noch einmal neu diskutiert werden.
Eine Änderung allerdings, die bereits im Oktober 2021 in Kraft tritt, steht im Zusammenhang mit dem Netzausbaubeschleunigungsgesetz 2.0 (NABEG 2.0). Es handelt sich um den Redispatch 2.0, der verschiedene Marktteilnehmer rund um Erneuerbare Energien, also auch Photovoltaikanlagenbetreiber, betrifft. Hintergrund der Neuerungen sind die Anforderungen der Energiewende. Die Netzbetreiber hatten dabei schon immer die Aufgabe, mit zuverlässigen Netzen zur Versorgungssicherheit in Deutschland beizutragen.
Die Übertragungsnetzbetreiber haben im Netzentwicklungsplan 2019-2030 (NEP) ermittelt, welcher Netzausbaubedarf bis zum Jahr 2030 besteht. Dabei wurde das Ziel der Bundesregierung berücksichtigt, im Jahr 2030 einen Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch von 65 Prozent zu erreichen. In diesem Zuge wurde im April 2019 eine Novelle zum "Gesetz zur Beschleunigung des Energieleitungsausbaus" oder "Netzausbaubeschleunigungsgesetz" beschlossen. Mit dieser Novelle sollen Stromleitungen optimiert und verstärkt werden. Umweltstandards sollen dabei erhalten bleiben.
Eines der Instrumente, die die Netzsicherheit gewährleisten sollen, ist der Redispatch-Prozess. Im Rahmen der Novelle des NABEG sollen nun auch kleinere steuerbare Anlagen in den Redispatch 2.0 eingebunden werden. Denn alle PV-Anlagen leisten einen wichtigen Beitrag zum Netzengpass-Management (worauf auch die Notwendigkeit der 70 %-Regel basiert). Bisher aber war dies als Notfallprozess-Einspeisemanagement zu begreifen. In den kommenden Jahren hingegen werde zunehmend mit Netzengpässen zu rechnen sein, z. B. wegen steigender Elektromobilität. Deshalb sollen nun alle relevanten Anlagen in den neuen Standardprozess namens Redispatch 2.0 überführt werden. So kann das Netz auch in Zukunft intelligent gesteuert und geführt werden.
Unter Redispatch versteht man ursprünglich einen Eingriff zur Anpassung der Einspeisung von Kraftwerken. Mit einem Redispatch können regionale Überlastungen oder Netzengpässe vermieden werden. Aufgrund der zunehmenden Erneuerbaren Energien steigt der Bedarf an Redispatch-Maßnahmen stetig. Bislang wurde Redispatch bei konventionellen Kraftwerken mit einer Leistung größer als 10 MW angewendet.
Redispatch 2.0 nun lässt das bisherige Redispatch sowie Einspeisemanagement (zu dem auch die Wirkleistungsbegrenzung zählt) verschmelzen. Ab dem 01.10.21 müssen alle Betreiber von Anlagen ab 100 kWh Installierter Leistung daran teilnehmen. Vor allem auch die Verteilnetzbetreiber (VNB) sind mit dem Redispatch 2.0 zunehmend gefragt und sie erhalten neue Aufgaben.
Was ändert sich mit dem Redispatch 2.0 ab dem 01.10.2021 für PV-Anlagenbetreiber?
- Bisherige Regelungen zum Einspeisemanagement werden in den Redispatch 2.0 überführt.
- Anlagenbetreibende müssen Stammdaten, Stammdatenänderungen und Nichtverfügbarkeiten der Anlage an den Netzbetreiber melden.
- Anlagenbetreiber erhalten deutlich mehr Pflichten und Verantwortung (Diese können aber z. B. auf ein virtuelles Kraftwerk als Direktvermarkter übertragen werden).
- Der Redispatch wird bei Anlagen über 100 kW durch den Verteilnetzbetreiber vorgenommen, Anlagen kleiner als 100 kW müssen teilnehmen, wenn sie bereits durch den Netzbetreiber ferngesteuert sind (sehr kleine PV-Anlagen, wie sie typisch für Einfamilienhäuser sind, fallen also raus, weil sich für sie die Fernsteuerung nicht lohnt).
- Erneuerbare Energien spielen bislang beim Netzengpassmanagement nur eine Rolle, wenn sie im Zuge des Enspeisemanagements abgeregelt wurden – das war nur der Fall, wenn das Redispatch konventioneller Möglichkeiten erschöpft war. Im Redispatch 2.0 spielen EE schon früher eine Rolle – also auch EE-Anlagen, die sich durch den VNB fernsteuern lassen.
- Anlagen, die im Zuge des Redispatch 2.0 abgeregelt werden, erhalten eine Entschädigung für den Ausfall.
Das Einhalten der 70 %-Reglung kann durch ein Smart Meter oder durch einen Rundsteuerempfänger überprüft und sichergestellt werden. Für den Eigengebrauch dienen ein Datenlogger oder Energiemanager zur Überprüfung der Wirkleistungsbegrenzung.
Für PV-Anlagen ab 7 kWp ist eine Wirkleistungsbegrenzung bzw. der Einsatz eines Smart Meters laut EEG 2021 Pflicht. Etwa drei Viertel der PV-Anlagen in Deutschland haben eine Leistungsbegrenzung.
Die 70 % Regelung für PV bedeutet, dass die Stromeinspeisung beim Erreichen einer Grenze von 70 % der Einspeiseleistung abgeregelt wird.
Gina Doormann ist Fachredakteurin für Erneuerbare Energien und PR-Managerin bei DAA.